Skalenüberbrückung in Ingenieur- und Naturwissenschaften

 

Klein- bis großskalige äolische Prozesse: Kombination von numerischer Modellierung und Fernerkundungstechniken

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Im Rahmen der Exploratory Research Space (ERS) der RWTH Aachen ist ein interdisziplinäres Projekt entstanden, welches Brücken zwischen der Geographie, dem Lehrstuhl für Physische Geographie und Geoökologie (PGG), und den Ingenieurswissenschaften, dem Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft (IWW), baut. Der gewählte thematische Schwerpunkt, äolische Transportprozesse, stellt dabei eine thematische Überschneidung zwischen den beteiligten Fachbereichen dar. Ziel des Projektes ist eine Proof-of-concept-Studie, in der untersucht werden soll, wie äolische Transportprozesse in unterschiedlichen Skalen mit verschiedenen Methoden erfasst und prozessiert werden können. Die Mikroskala wird dabei durch numerische Modelle aus der Wasserwirtschaft abgedeckt, während Methoden der Fernerkundung die Meso- und Makroskala bedienen.

 

Thematische Einleitung

Äolischen Formen auf unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen Urheberrecht: © IWW / PGG Raum- und Zeitskalen äolischer Prozesse: konzeptualisiert (links oben), fotographisch (A: Rippel, Mikroskala) und kartographisch (B und C: Barchane und Dünenfeld des Bor Khyar Els in der Westmongolei, Meso- und Makroskala).

Mehr 35 % der Weltbevölkerung leben in den Trockengebieten der Erde. Äolische Transportprozesse begünstigen Dünenbewegungen und führen somit zu einer Bedrohung des Wirtschafts- und Wohnraums, der Wasserressourcen, der Landwirtschaft sowie der Infrastrukturen. Aufgrund aktueller Prognosen zu Klimawandel, Bevölkerungszunahme und Landnutzungsänderungen ist davon auszugehen, dass diese Bedrohung in den kommenden Jahren drastisch ansteigen wird.
Obwohl es schon umfangreiche Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der äolischen Transportprozesse gibt, stellen uns die meso- und makroskaligen Prozesse immer noch vor große Herausforderungen. Während äolische oder fluviale Prozesse auf der Mikroskala, die zu einer Dünenentstehung sowie Dünenwanderung führen, bereits auf einem fundamentalen Prozessverständnis beruhen, können die meso- und makroskaligen Prozesse nur unzureichend beschrieben werden. Die Entstehung sowie Dynamik dieser bedürfen noch weiterer intensiver Forschungsanstrengungen.
Einen vielversprechenden Ansatz zur Überbrückung dieser Raum-Zeit-Skalen liegt in der Kombination von kleinskaligen numerischen Modellverfahren mit fernerkundlichen Methoden der Mesoskala. Frei verfügbare globale Fernerkundungsdatensätze erreichen Wiederkehrraten von wenigen Tagen und räumliche Auflösungen von bis zu 5 Metern. Numerische Modellverfahren arbeiten meist in einer räumlichen Skala von wenigen Zentimetern bis Metern und in einer Zeitskala ab Sekunden. Eine Herausforderung besteht in der Anwendung dieser mikroskaligen numerischen Ansätze auf die Meso- bzw. Makroskala. Hier setzt der vorliegende Antrag an und beabsichtigt, eine numerische Beschreibung der fernerkundlich gewonnen Dünenformen zu ermöglichen. Wenn sich meso- und makroskalige Dünenformen mittels numerischer Modellverfahren beschreiben und prozessieren lassen, so könnten auch die zukünftige Entwicklung von Dünen und ganzen Sandfeldern infolge des Klimawandels und Landnutzungsänderungen besser prognostiziert werden.

 

Forschungshypothese

Durch die Nutzung numerischer Verfahren aus der Wasserwirtschaft zur Modellierung der Bewegung kleinskaliger Dünen infolge hydraulischer Prozesse können die Bewegungen großräumiger Dünen infolge äolischen Transports beschrieben werden. Aus der Hypothese ergeben sich unter anderem folgende Kern-Forschungsfragen, die beantwortet werden müssen:

  • Ist es möglich, mit numerischen Modellverfahren die Transportprozesse großräumiger Wanderdünen infolge äolischen Transports zu beschreiben?
  • Welche Anforderungen bestehen an die Daten aus der Fernerkundung – insbesondere an deren zeitliche und räumliche Auflösung , um diese mit den numerischen Verfahren zu verknüpfen?
  • Welche Adaptationen sind im Bereich der numerischen Modelle erforderlich?
  • Wird es langfristig möglich sein, anthropogene Effekte auf der Mesoebene mit Hilfe numerischer Verfahren zu modellieren?

Das interdisziplinäre Projektziel kann nur durch die Zusammenarbeit und komplementäre Expertise aus den Bereichen Wasserwirtschaft, Sedimenttransport, Morphodynamik, Numerik und Remote Sensing erreicht werden. Hierzu bringen die Partner ihre jeweiligen Expertisen in das geplante ERS-Projekt ein:

  • Mikroskalige Betrachtung von fluvialen Dünen auf der Gewässersohle sowie äolischen Dünen im Küstenbereich (IWW)
  • Numerische Beschreibung der Dünenentwicklung (Erosion) mittels verschiedener numerischer Modellverfahren z.B. XBeach (IWW)
  • In-situ-Untersuchungen zur Dünenentwicklung im Küstenbereich (IWW)
  • Experimentelle Untersuchungen im Windkanal zum äolischen Sedimenttransport (IWW)
  • Zielgerichtete Nutzung und Auswertung hochaufgelöster Satellitendaten (PGG)
  • In-situ Erfahrungen von äolischen Transporten und Sedimenten (PGG)
  • Verschneidung der Remote-Sensing und in-situ Daten mittels GIS (PGG)
  • Verschneidung von Klimadaten mit Fernerkundungsdaten in ariden Räumen (PGG)

Für das geplante ERS-Vorhaben wurde das Gebiet der Westmongolei aus folgenden Gründen ausgewählt: (1) eigene Vor-Ort-Kenntnisse, (2) geringer anthropogener Einfluss und damit ein natürliches System, (3) Vorarbeiten auf der Meso- und Makroebene mittels Auswertung topographischer Daten und Fernerkundungsdaten vorhanden. Aufbauend auf den Ergebnissen der Proof-of-Concept-Studie soll das Modell auf andere Regionen der Erde (z.B. Sub-Sahara-Afrika, aride Diagonale Südamerikas) angepasst, das Modell um den Einfluss anthropogener Eingriffe erweitert und weitere Forschungsanträge (DFG, BMBF-Sub-Sahara-Afrika-Calls) geschrieben werden.

 
Laufzeit 08/2021 - 07/2022
Förderung ERS OPSF612
Projektpartner Dr. Catrina Brüll Lehrstuhl und Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft, RWTH Aachen